Que canten los niños… – Chorprojekt
Erfahrungsbericht von Sales Hollinger
Diesen Winter verbrachte ich einen Monat als Freiwilliger bei Proyecto Consciente in San Francisco Gotera, der Hauptstadt von Morazán, El Salvador. Neben Englischkursen und sportlicher Animation für die lokalen Mitarbeitenden bestand meine Hauptaufgabe darin, ein Chorprojekt zu leiten, welches Consciente in Zusammenarbeit mit dem kantonalen Bildungsministerium auf die Beine gestellt hatte. Die Idee dieses Projektes bestand darin, den Kindern und Jugendlichen basale Theoriekenntnisse zu vermitteln und ihnen die Möglichkeit zu geben, gemeinsam Chormusik zu singen.
Die Leitung dieses Projektes ging mit diversen Herausforderungen einher. Die erste Schwierigkeit war sprachlicher Natur: Die Vorstellungsrunde hatte ich noch souverän gemeistert – ich bin Freiwilliger bei Consciente, ich komme aus der Schweiz, ich mag Papayas – doch bereits beim gemeinsamen Einsingen kam ich ziemlich ins Schwitzen, da mein Alltagsspanisch Begriffe wie Zwerchfell, Stimmbänder, Obertöne, Stütze und dergleichen nicht beinhaltete – noch nicht.
Eine weitere Schwierigkeit war kultureller, oder sagen wir organisatorischer Art. Die zeitliche und örtliche Durchführung der Kurse deckte sich leider nicht immer mit der ursprünglichen Planung – jedenfalls , wenn man eine mitteleuropäische Interpretation zugrunde legte. Aber in El Salvador ist man sich gewohnt zu improvisieren und die Geduld zu wahren, und so sangen wir manchmal im Freien und bei reduzierter Besetzung, und manchmal etwas später als vorgesehen.
Musikalisch gesehen bestand die grösste Herausforderung darin, mehrstimmige Stücke zu singen. Das Grossartige am Singen im Chor ist ja, die harmonischen Schwingungen zu erleben, die sich im Zusammenspiel mit anderen Stimmen ergeben und die man selber singend miterzeugt. Diese Erfahrung wollte ich ihnen unbedingt ermöglichen. Allerdings kann in El Salvador kaum jemand Noten lesen (dafür beherrschen praktisch alle das Gitarrenspiel), und die Erarbeitung einer Stimme durch Imitation bedarf einer gewissen Geduld, derer Kinder bekanntlich entbehren. Die ideale Einstiegsform war daher der Kanon. Schon nach kurzer Zeit boten die jungen Sängerinnen und Sänger eine dreistimmige Version des “Bruder Jakob” und schienen nicht mehr aufhören zu wollen.
Zum Abschluss des Projektes durfte unser Chor ein kleines Konzert vor gut 200 ZuhörerInnen aufführen, zum grössten Teil aus Schulklassen marginaler Viertel bestehend. Dieses Ereignis hat es nicht nur ins lokale Fernsehen geschafft, sondern sich auch in tief in die Erinnerung der jungen Sängerinnen und Sänger eingegraben.
In ökonomischen Kategorien ist der Erfolg solcher Projekte schwierig zu erfassen. In El Salvador leben gut 40 % der jungen Bevölkerung in Armut, und Musikkenntnisse tragen bekanntlich nicht viel zur wirtschaftlichen Produktivitätssteigerung des Landes bei. Doch abgesehen von ihrer wohltuenden Wirkung ist die Musik eben auch Sinnstifterin, und in Anbetracht der grassierenden Jugendkriminalität bietet sie ein effektives Mittel zur Bekämpfung sozialer Verwahrlosung. Somit leistet die Musik einen wesentlichen, wenn auch unscheinbaren Beitrag zu einer besseren Gesellschaft.
„Que canten los niños, que alcen la voz,
que hagan al mundo escuchar;
que unan sus voces y lleguen al sol;
en ellos está la verdad.
que canten los niños que viven en paz
y aquellos que sufren dolor;
que canten por esos que no cantarán
porque han apagado su voz“