Für ein Land wie El Salvador stellt die Corona-Pandemie eine riesige Herausforderung dar. Mangelhafte medizinische Kapazitäten, schwache Institutionen und grassierende Armut machen es schwierig, die Menschen angemessen zu schützen. Sieben Personen aus unserem Koordinationsteam erzählen, wie sie die Situation vor Ort erleben und trotz allem weiterarbeiten – denn sie werden gebraucht.
Übersetzung: Lena Ackermann
Idalia Claros (Nachhaltigkeitsbildung)
Wegen COVID-19 befinden wir uns in El Salvador seit dem 14. März im Ausnahmezustand. Seit dem 22. März gibt es eine totale Ausgangssperre. Schwierig ist, dass unsere Bevölkerung nicht nur einem gesundheitlichen Risiko ausgesetzt ist, sondern auch zunehmender militärischer Kontrolle, da die verfassungsmässigen Grundrechte ausser Kraft gesetzt wurden. Am stärksten betroffen sind die Menschen, die gesellschaftlich und historisch am schlechtesten gestellt sind. Denn in Quarantäne zu leben ist ungleich schwieriger für eine Familie, deren Existenz nicht gesichert ist. Tausende von Familien lebten von einem Dollar am Tag – und haben jetzt gar kein Einkommen mehr.
In El Salvador ist diese Krise nicht nur eine gesundheitliche Herausforderung, sondern sie verschärft auch wirtschaftliche und soziale Probleme. Dazu gehören geschlechtsspezifische Gewalt, Machtmissbrauch der Polizei und der Armee, Lebensmittelknappheit, schlechte medizinische Behandlung und Überbelegung der Spitäler.
In diesem Kontext haben auch wir vom Consciente-Team Sicherheitsmassnahmen ergriffen und unsere Planung kurzfristig angepasst. So haben wir für den Moment alle Aktivitäten vor Ort und in Gruppen abgesagt, wovon insbesondere das Projekt für Nachhaltigkeitsbildung stark betroffen ist. Nun arbeiten wir online und nutzen unsere Zeit, um pädagogische und methodologische Leitfäden für unsere Workshops zu erarbeiten. Auf diese Weise wird die Arbeit des Programms weitergeführt und wir sind entschlossen, unsere Ziele zu erreichen und einen Beitrag zum sozialen Wandel in Morazán zu leisten.
Emely Montiel (Sekretariat)
Die Situation im Land ist ernst, denn leider hat El Salvador weder die nötigen Mittel noch die Werkzeuge, um diese Pandemie in den Griff zu bekommen. Viele Menschen leben in Armut, vor allem in den ländlichen Gebieten. Dort gibt es keine Krankenhäuser oder Apotheken, um Medikamente zu besorgen. Um Nahrungsmitteln zu besorgen, muss man eine Transportmöglichkeit finden oder Stunden zu Fuss geben. An solchen Orten leben viele Menschen, Erwachsene ebenso wie Kinder. Darum müssen wir die Ärmsten unterstützen, so gut wir können. Wir brauchen Lebensmittel, Medikamente und Wasser, damit diese Menschen ihren täglichen Gebrauch decken können.
Wir schicken herzliche Grüsse aus dem kleinen El Salvador. Wir bedanken uns für Ihre Hilfe und Unterstützung in dieser Situation, die uns alle auf der ganzen Welt betrifft.
Jonathan Sanchez (CAL-IMPACT, Mathematik)
Mein Name ist Jonathan Sanchez und ich arbeite im Projekt für Bildungsinnovation im Bereich der Mathematik. Nun arbeiten wir von zu Hause aus und setzen uns weiter mit grossem Enthusiasmus für eine bessere Bildung in Morazán ein. Die Bevölkerung befindet sich aufgrund der sozioökonomischen Bedingungen in El Salvador in einer sehr schwierigen Situation. Denn hier bedeutet zuhause zu bleiben für viele, dass sie ihr tägliches Einkommen verlieren. Viele Menschen leben von dem bisschen Geld, dass sie jeden Tag einnehmen; Gelegenheitsjobs gibt es kaum welche. Die Regierung ergreift zwar Massnahmen, die aber leider nicht der Mehrheit der Bevölkerung zugutekommen. Dies führt zu Chaos und Unstimmigkeit in der Gesellschaft: Viele Menschen liessen sich von ihren Impulsen mitreissen und sind auf die Strasse gegangen, um dafür zu protestieren, dass sie Hilfe erhalten. Dies wird sich bestimmt negativ auf die Anzahl der angesteckten Personen auswirken.
Gricelda Véliz (Programm für Nachhaltigkeitsbildung)
Ich heisse Gricelda Véliz und arbeite im Team für Nachhaltigkeitsbildung. Durch die Pandemie befindet sich El Salvador in einer alarmierenden Situation: Viele Menschen, die im informellen Sektor beschäftigt sind und nicht mehr arbeiten dürfen, haben nun keine Mittel mehr, um Essen zu kaufen. Menschen in extremer Armut leben oft von der Hand in den Mund. Sie sind es auch, die am stärksten von der Situation betroffen sind. Es sind oft ältere Menschen, die vom Strassenverkauf leben, oder alleinerziehende Mütter, die vier oder fünf Kinder ernähren müssen. Die Situation ist wirklich besorgniserregend.
Alonzo Solís (CAL-IMPACT, LehrerInnen-Weiterbildung)
Ich heisse Alonzo Solís und ich gehöre zum Team von Consciente El Salvador. Trotz der Pandemie, in der wir uns weltweit befinden, arbeiten wir weiter mit grossem Enthusiasmus – auch wenn wir das von zuhause aus tun müssen.
Wir können unsere Projekte vielleicht nicht so durchführen, wie wir sie geplant haben, aber wir arbeiten mit voller Kraft an jedem von ihnen. Im Moment entwickeln wir zum Beispiel Leitfäden und Videos zur Vermittlung mathematischer Inhalte. Ausserdem arbeiten wir an Workshops zur Förderung der psychischen Gesundheit von Schulkindern, die wir in unser CAL-IMPACT-Projekt einbauen wollen. Dafür kreieren wir Geschichten zu Themen wie Empathie, Selbstbewusstsein, Schmerz, positiver Disziplin oder Familie.
Die momentane Situation trifft viele Menschen sehr hart, sowohl ökonomisch als auch gesundheitlich. Sie haben nun kein Einkommen mehr, mit dem sie die Grundbedürfnisse ihrer Familien decken können. Dies ist leider unvermeidlich, da unsere Gesundheit oberste Priorität hat. Wir hoffen, dass die Situation sich bald verbessert und wir nach vorne schauen können.
Mirian Benítez (CAL-IMPACT, Pädagogik)
Am 21. März mussten wir alle das Büro von Consciente zu uns nach Hause verschieben. Das war kompliziert, denn der öffentliche Verkehr fuhr nicht mehr regelmässig und wir mussten zu Fuss gehen. Es war eine Woche voller Unsicherheiten und ich war traurig, dass unser Projekte nicht wie gewohnt weiter funktionieren würden. Das Zentrum unseres Projekts sind die Kinder und Jugendlichen, die Lehrerinnen und Lehrer – wie sollte das Projekt ohne sie weitergehen? Aber dann merkte ich, dass unsere Projekt nicht stillstehen müssen. Wir begannen, über interaktive Plattformen mit den Lehrpersonen zu arbeiten. Nun planen wir unsere Projekte von zuhause aus. Trotzdem gibt es viel Unsicherheit, da wir nicht wissen, wie lange die Schulen geschlossen bleiben. Es wird die beste Nachricht sein, wenn diese Krise vorbei ist und die Schulen wieder öffnen können.
Gilberto Ambrocio (Programm für Nachhaltigkeitsbildung)
Was unser Land und die Welt im Moment erleben, ist uns so noch nie passiert. In El Salvador stehen wir in vielen Bereichen vor einer grossen Krise. Es ist traurig, jeden Tag mit unzähligen schlechten Nachrichten zu beginnen, die vermitteln, in welcher Situation sich viele Familien überall in El Salvador befinden. Vielleicht bin ich zu jung; ich habe jedenfalls noch nie so etwas gesehen. Ich weiss, dass unser Land in seiner Geschichte viele schwierige Momente erlebt hat, von sozialen Problemen und Ungleichheit bis zu Invasionen und Kriegen. Immer wurde versucht, nach vorne zu schauen, denn wir sind es gewohnt, durchzuhalten. In solchen Situationen zeigen sich die ungerechten Bedingungen hier umso stärker, und viele arme Familien sind besorgt, weil sie kein Geld haben und nichts zu Essen. Trotzdem verlieren wir die Hoffnung nicht, dass wir das überstehen werden. Diese Krise wird uns alle etwas lehren – vor allem jene, die Entscheidungen über unser Land treffen: Wir wissen nun umso mehr, dass es unser Engagement braucht. Eine würdige Arbeit bedeutet, Menschen Sicherheit zu geben. Ich hoffe, wir haben bald gegen diese Krankheit gewonnen.
COVID-19: Nothilfe-Kampagne
Um die schwächsten Menschen und Familien in Morazán mit Grundnahrungsmitteln und Hygieneprodukten zu versorgen, lanciert Consciente eine lokale Nothilfe-Kampagne. Unterstütze uns jetzt mit einer Spende und hilf so den freiwilligen Helferinnen und Helfern vor Ort, das Schlimmste zu verhindern!